Archive for the ‘1SPD-Fraktion’ Category

h1

Rathaus of Cards

3. Mai 2019

Kommentar von Dieter Böversen

 

Rücktritt der keiner sein soll

Lange hat er sich Zeit gelassen, der ins Visier der Staatsanwaltschaft geratene Berufspolitiker Stefan Schostok. Nichts hat ihn früher dazu bewegen können, zumindest den üblichen politischen Anstand zu wahren, und vom Amt des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Hannover zurück zu treten. Obwohl, er selbst hat nie das Wort „Rücktritt“ benutzt. Er bat um „Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand“, weil er keine Unterstützung mehr im Rat sehe.

Analysieren wir dies mal. Er sieht sich nicht mehr hinreichend unterstützt. Die, welche ihn (bisher) unterstützten, tun es nicht mehr, bzw. nicht mehr wie bisher gewohnt, sind also ursächlich, quasi „schuld“, für diesen Schritt. Nicht sein Handeln, nicht sein Versagen, nicht die schwerwiegenden Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft stehen hinter der Entscheidung. Über seine Formulierung beklagt Stefan Schostok Treulosigkeit langjähriger Weggefährten.

Auch die Vermeidung des Wortes „Rücktritt“ gibt Hinweise darauf, dass er nicht wirklich freiwillig geht. Der Stadtrat ist „schuld“ und soll ihm nun eine Pension zusprechen. Einfach Platz machen, Ansprüche aufgeben, kein Weg für Schostok. Die Opposition im Rat forderte seinen Rücktritt ja schon lange, und auch die langjährigen Partner im Rat, die Grünen erwarteten zumindest ein Ruhen der Amtsgeschäfte bis zur Klärung der strittigen Vorgänge. Nur die eigene Partei sah keinen Grund zum Handeln, so schien es bisher. Nun jedoch wird offenbar, dass auch die Genossen schon länger auf Schostoks Rückzug warteten.

Enttäuschte Hoffnungen

Die Bild-Hannover meldete, Sven Ambrosy sei bei den Genossen in der engeren Wahl für Schostoks Nachfolge. Ambrosy ist Landrat in Friesland, und steht dort derzeit selbst zur Wiederwahl. Auf Nachfrage der Redaktion erklärte er, er stünde nicht zur Verfügung, und auch die SPD erklärte: „Der wird es nicht!“ Doch wie erklärt sich dann die Meldung?

Man mag vom Journalismus der Bild halten was man mag. Dennoch arbeiten auch dort Profis, auch dort kennt man den Pressecodex. Einfach mal so, aus alter Gewohnheit eine Falschmeldung zu unterstellen, wäre zu billig. Ambrosy muss schon sehr viel länger im Gespräch gewesen sein. Dies wiederum kann nur heißen, dass auch die Genossen schon sehr viel früher auf eine Neuwahl des Oberbürgermeisters hofften. Dass der Amtsinhaber sich jedoch so viel Zeit ließ, verhindert nun seine Ablösung durch den Landrat. Möglicherweise verhinderte Schostok diese Ablösung gar nicht so zufällig. Vielleicht ließ er sich weniger wegen vergütungsrechtlicher Ansprüche, oder Uneinsichtigkeit so viel Zeit. Es wäre durchaus denkbar, dass der Machtmensch Schostok den Friesen als Nachfolger verhindern wollte, zumindest wenn sein alter Widersacher aus der Landtagsfraktion Olaf Lies hinter diesem Personalvorschlag stünde. Lies ist Mitglied des Kreistags Friesland, kennt natürlich den Landrat und Genossen Ambrosy. Sven Ambrosy hätte eine Chance auf einen Neuanfang sein können.

Ein Hauch von Underwood

Doch weshalb lies die SPD dem so schwer beschuldigten Genossen Schostok so viel Zeit einen Schlussstrich zu ziehen? Jahre vergingen, in denen das Amt und die Partei Schaden nahmen. Solidarität? Das ist nur ein Schlagwort, eine verbale Blendgranate der SPD. Es ist naiv Schostok allein zu betrachten. Er ist Teil eines Netzwerks. Ein Netzwerk, welches von ihm und seinem Amtsvorgänger Weil maßgeblich geführt wird. Man kennt sich, man schätzt sich, man vertraut sich, man stützt sich. Zutage trat dieser Männerbund, als Olaf Lies Chef der Landes SPD und Spitzenkandidat werden wollte. Gemeinsam wurde der Friese von Stefan und Stephan verhindert. Die Beiden tauschten zu diesem Zwecke sogar ihre Ämter. Wie gesagt, man kennt sich und vielleicht auch den Keller des Anderen.

Im Keller der Odeonstraße

Als Matthias Büschking urplötzlich das Büro des UB Region Hannover verließ, aus Gründen über die bis heute beredt geschwiegen wird, wurde 2012 Dr. Uta Biermann für ihn als UB-Geschäftsleiterin eingestellt. Warum sie? Wie kam es dazu? Was qualifizierte sie? Frau Doktor bekam einen Wagen zur Verfügung gestellt, für Fahrten aus dienstlichem und privatem Anlass. Die Privatnutzung stellte einen geldwerten Vorteil dar, steuerpflichtig. Wurde dieser Vorteil versteuert? Diese Frage ist offen. Wenn er nicht besteuert wurde, würde dies nicht allein die Steuerfahndung interessieren. In diesem Falle wäre Parteivermögen betroffen, und die Staatsanwaltschaft könnte darin Veruntreuung erkennen. Wenn bei ihr keine Besteuerung vorgenommen worden sein sollte, wie behandelte man dann die anderen Beschäftigten im Haus?

Werden die Geschäftsleiter des UB der Region nicht vom Bezirk Hannover eingestellt? Bezirksvorsitzender damals wie heute noch Stefan Schostok. Uta Biermann ist die Frau von Michael Rüter, damals Landesgeschäftsführer der SPD NDS und somit dem Landesvorsitzenden Weil unterstellt. Später wurde Rüter Staatssekretär unter MP Weil. Rüter ist gegenwärtig Leiter des SPD Europawahlkampfes. Seine Frau Uta dient seit Oktober 18 dem Land Niedersachsen, als Leiterin des Referats 203, wird auf B3 Niveau vergütet. Und wieder die Frage: Wie kam es dazu? Was qualifiziert sie? Da spielt doch ganz sicher nicht die familiäre Nähe zum ehemaligen Staatsekretär und Vertrautem des MP, oder gar die persönliche Bekanntschaft zum Ministerpräsidenten höchst selbst eine Rolle. Mit Sicherheit lief dies alles blitzsauber, so wie im Netzwerk Schostok/Weil üblich. Oder ?

Schaf im Wolfspelz?

Könnte es sein, das Schostok seine Ämter so wahrnahm wie es ihm in all den Jahrzehnten zuvor vorgelebt wurde? Hat er „nur“ getan, was von ihm erwartet wurde, und er wähnt sich daher nun völlig unschuldig? „Ich habe mitgespielt, getan was ihr von mir erwartet habt, habe über dies und das bis heute ganz loyal geschwiegen, und den Kopf hingehalten. Jetzt erwarte ich eure Treue!“ Dies könnten durchaus Stefan Schostok´s Gedanken oder Ansprüche an die Weggefährten sein, und sein Verhalten erklären. Stefan Schostok ist kein naiver, realitätsferner Grinse-Kasper. Dennoch scheint er sich als Opfer und nicht als Täter zu sehen. Dies sollte nachdenklich stimmen.

Der mit dem Weil tanzte

Sein Nachfolger soll nun nach Wunsch der SPD Marc Hansmann werden. Der war Kämmerer unter Weil. Dies spricht für, aber auch gegen ihn. Als ehemaliger Kämmerer kennt er das Haus, die Zahlen. Das ist von Vorteil. Er gehört allerdings zum Netzwerk Weil. Seine Nominierung spiegelt somit die Hoffnung auf ein „weiter so“ wieder. Hansmann dürfte mit Zahlen geschickter umgehen, diese also auch besser kaschieren können, als Schostok. Das wäre dramatisch!

Ein Neuanfang sieht sicher anders aus. (Bö)